Filmkritik

Di 18. Juli 2023
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Der Pfau

Komödie

Regie: Lutz Heineking

mit: Tom Schilling (Andreas) · David Kross (David) · Lavinia Wilson (Linda) · Svenja Jung (Rebecca) · Serkan Kaya (Bernhard)

Deutschland/Belgien 2023 | 105 Minuten | ab 12

Eine Gruppe arroganter Frankfurter Investmentbanker muss sich auf einem schottischen Landsitz am Wochenende einem Teamcoaching unterziehen. Ihre Abteilung soll restrukturiert und einer von ihnen entlassen werden. Nicht jeder ist dabei in der Lage, seine siegesgewisse Fassade aufrechtzuerhalten. Die satirische Kriminalkomödie um Eitelkeiten und menschliche Abgründe dekonstruiert süffisant die Klischees einer selbstverliebten Ego-Welt und glänzt neben dem spielfreudigen Ensemble insbesondere durch den kunstvollen Wechsel der Erzählperspektiven.

Langkritik:

Was macht eine Komödie aus? Sie spielt mit der Katastrophe und dem Chaos, mit Figuren, die aus dem Takt geraten und dabei unfreiwillig in einer möglichst exotischen Kulisse keinen Stein auf dem anderen lassen. Investmentbanker taugen insofern perfekt als Opfer eines mit Fallstricken übersäten Drehbuchs, wenn sie ihre Haltung angesichts veränderter Koordinaten überdenken müssen und dabei eine derangierte Figur machen. Insofern konnte Lutz Heineking Jr. mit der Verfilmung der gleichnamigen Buchvorlage von Isabel Bogdan nicht viel falsch machen, zumal der Plot auch noch den speziellen Gegebenheiten eines Stücks von Agatha Christie folgt.

Wenn es an „Soft Skills“ mangelt

Eine Gruppe arroganter Frankfurter Investmentbanker muss sich samt der Abteilungsleiterin einem Teamcoaching auf einem Landsitz mitten in den schottischen Highlands stellen. An „Soft Skills“ mangelt es ihnen erheblich; die Egos sind gewaltig, die Bereitschaft zu Kompromissen gleich Null. Das gilt aber auch für die „Performance“, die dringend einer Optimierung bedarf. Weshalb schon die spartanischen Wohnstandards von Mehrbettzimmern mit Doppelstockbetten und Gemeinschaftsbad die gereizten Streithähne in Kampflaune versetzen. An ein funktionierendes Mobilnetz ist erst recht nicht zu denken.

Die Team-Trainerin ist eine Anfängerin, deren Methoden an kindliche Bastelstunden erinnern. Und auch die fürsorgliche Anwesenheit von Lord und Lady Macintosh, glänzend gespielt von Philip Jackson und Victoria Carling, kann die Laune nicht steigern. Als der Lieblingspfau des Lords verschwindet, von dem man weiß, dass er auf die Farbe Blau aggressiv reagiert, dämmert es den „Gästen“ allmählich, dass es das sonderbare Tier vielleicht auf sie abgesehen haben könnte. Oder dient es nur als Vorwand für ein ganz anderes Verbrechen? Und was haben die durchtriebene Team-Leiterin und ihr Hund damit zu tun?

Eine Köchin aus Deutschland

Dass für das Wochenende extra eine Köchin aus Deutschland eingeflogen wurde, schürt zusätzlich Misstrauen. Sie scheint mehr über das Geschehen in dem verwinkelten und allmählich zugeschneiten Schloss ohne eine funktionierende Heizung zu wissen, als sie vorgibt.

Es ist durchaus vergnüglich mitzuerleben, wie der Blick der irritierten Schnösel wacher wird, wie sie irgendwann mit Staunen und später mit resigniertem Gleichmut jede Hürde stemmen, auch wenn nicht jeder Gag punktgenau zündet. Das gilt auch für die Dialoge, die in dem um vieles bissigeren Kammerspiel-Vorläufer „Zeit der Kannibalen“ (2014) von Johannes Naber vor Pointen strotzten und das System der Finanz- und Beraterbranche aufs Treffendste sezierten.

Während „Zeit der Kannibalen“ in einem austauschbaren Hotel in Nigeria Zwischentöne für von drohendem Absturz und Statusverlust angetriebenen Figuren zuließ, bleibt der leichter bekömmliche „Pfau“ an der Oberfläche des Luxus-Kokons eines Agatha-Christie-Settings, das jeglicher Realitätsbezüge entbehrt. Die Kamera beobachtet das Prüfungskarussell immer wieder aus der Vogelperspektive und folgt Lavinia Wilson, Jürgen Vogel, Tom Schilling, David Kross und Serkan Kaya in ihre jeweilige Lehrstunde, die jeder getrennt von den anderen, auch schon mal im Slapstick-Modus absolvieren muss. So multiplizieren sich die Perspektiven. Für die Beantwortung der Frage, ob man seinen Kollegen das Leben mit all den Gewichten, die daran hängen, anvertrauen sollte, gibt es eben kein Einheitsmaß. Denn auch wenn die menschenleere Natur die Gemüter beruhigen könnte, schwingt der Leistungsdruck unter den Konkurrenten weiterhin mit.

Im Rahmen von Sparmaßnahmen und eines Compliance-Verfahrens soll ein Sündenbock entlassen werden. Nicht jeder ist in der Lage, seine siegesgewisse Fassade aufrechtzuerhalten. Die vielen auseinanderdriftenden Sichtweisen der von der Außenwelt isolierten Probanden tragen ebenso zur Komik bei wie ihre Mühen, einen Hauch von Sinnhaftigkeit in dem gänzlich misslungenen Workshop zu finden, denn bis zum Ende der intriganten Gesellschaftssatire stellt sich kein Gemeinschaftsgefühl ein. Es lebe die unharmonische Konsequenz – ein seltener Anblick im deutschen Komödien-Kino.

Alexandra Wach, FILMDIENST