Filmkritik

Di 22. Dezember 19.30 Uhr (evtl. auch nachmittags 16:30 Uhr)
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Edison - Ein Leben voller Licht

Biopic

Regie: Alfonso Gomez-Rejon

mit: Benedict Cumberbatch (Thomas Edison) · Michael Shannon (George Westinghouse) · Tom Holland (Samuel Insull) · Nicholas Hoult (Nikola Tesla) · Katherine Waterston (Marguerite Westinghouse)

USA/Russland/Großbritannien 2017 | 103 Minuten | ab 6

Mit der Erfindung der Glühbirne durch Thomas Edison beginnt 1880 der Siegeszug der Elektrizität. Als der Unternehmer George Westinghouse anstelle des von Edison angewandten Gleichstroms die Vorteile des Wechselstroms etabliert, entwickelt sich ein Konkurrenzkampf um die Vormacht beim Aufbau des Stromnetzes in den USA. Ein in Details spannendes biografisches Drama über den sogenannten „Stromkrieg“, in dem die Geschichten der beiden Protagonisten fast durchweg nebeneinanderher erzählt werden. Dadurch bleibt ihr Wettkampf recht abstrakt und hinterlässt filmisch eher einen blassen Eindruck.

Langkritik:

Wer hätte den einen oder anderen historischen Moment nicht gern persönlich miterlebt? Als Fahrgast in einer der ersten Eisenbahnen zum Beispiel oder als Zuschauer an jenem Abend im Dezember 1895, an welchem die Brüder Lumière in einem Café in Paris zum ersten Mal einen Film präsentierten. Und auch die Vorstellung, Zeuge des Augenblicks zu sein, in dem das elektrische Licht anging auf der davor bloß flackernd erhellten Welt, ist verlockend.

Durchaus betörend schön ist in „Edison – Ein Leben voller Licht“ denn auch der Moment, in dem Thomas Alva Edison (Benedict Cumberbatch) 1880 auf einem Feld vor New Jersey das begehbare Modell eines künftigen Stromnetzes vorstellt und durch Umlegen eines Schalters hunderte miteinander verbundene Glühlampen zum Leuchten bringt. Nicht minder beeindruckend ist später die Szene, in der im inzwischen verkabelten Manhattan vor den staunenden Augen der in den Straßen versammelten Bewohner die Lichter angehen. Und spätestens, wenn Regisseur Alfonso Gomez-Rejon dann mittels Karte demonstriert, wie sich das Stromnetz über die USA ausbreitet, wird schlagartig klar, welche enorme Errungenschaft die Elektrifizierung grundsätzlich für die Menschheit bedeutete – und welcher große gesellschaftliche Wandel damit angestoßen wurde.

Von der Erfindung der Glühbirne bis zur Weltausstellung in Chicago

13 Jahre lässt Alfonso Gomez-Rejon in „Edison – Ein Leben voller Licht“, der im Original um einiges sinniger „The Current War“ heißt, über die Leinwand ziehen. Es sind die Jahre 1880 bis 1893, von der Erfindung der Glühbirne und des Stromnetzes durch Thomas Alva Edison (1847-1931) bis zur Weltausstellung in Chicago, für deren Erleuchtung nicht Edison, sondern dessen Konkurrent George Westinghouse (1846-1914; im Film gespielt von Michael Shannon) zuständig war. Dazwischen tobt in den USA, was als „War of the Currents“ in die Annalen einging: Ein zwischen den beiden auch als Unternehmer in Erscheinung tretenden Erfindern geführter Konkurrenzkampf, dessen Kern der Disput um die Vor- und Nachteile von Gleich- und Wechselstrom bildet.

Es ist ein spannendes und auch sehr filmisches Thema: Ende des 19. Jahrhunderts wurden nebst Stromnetz und elektrischem Licht zahllose weitere großartige Erfindungen gemacht, ohne welche die Welt heute anders aussähe. Zu den damals findigsten Köpfen gehörten Edison (gemäß Wikipedia 1093 Patente) und Westinghouse (gemäß Wikipedia 360 Patente). Einige ihrer Erfindungen – etwa der Phonograph, das Diktaphon, der Kinetograph und das Kinetoskop, werden im Film nebenbei vorgeführt.

Eine eigenständige kleine Story baut sich zudem auf um die Erfindung des „Elektrischen Stuhls“: Um auf die Gefährlichkeit des von Westinghouse präferierten Wechselstroms aufmerksam zu machen, lässt Edison vor versammeltem Publikum ein Pferd mit einem Generator verkabeln und legt den Schalter um. Das Tier ist auf der Stelle tot. Der „sehr humane und friedliche“ Akt der Tötung beeindruckt den im Publikum weilenden Southwick Brown derart, dass er als Mitglied der amerikanischen Kommission für die Todesstrafe vorschlägt, die elektrische Methode künftig auch auf Menschen anzuwenden; anders als die meisten Figuren in „Edison“ ist Southwick Brown eine fiktive Figur, in der Teile der Biografien von mindestens zwei historischen Persönlichkeiten stecken.

Die Konkurrenz als „Fernbeziehung“

Bei besagter Demonstration nicht dabei ist der in Pittsburgh lebende Westinghouse – wie dieser und Edison überhaupt zumindest in der beim Toronto Filmfestival 2017 aufgeführten ursprünglichen Fassung von „The Current War“ eher eine „Fernbeziehung“ führen. Der „Director’s Cut“, der rund zwei Jahre später in die europäischen Kinos kommt, ist gemäß Angabe des Verleihers nicht nur eine neu geschnittene Fassung, sondern enthält auch nachgedrehte Szenen. Eine davon zeigt eine kurze Begegnung von Westinghouse und Edison auf der Weltmesse 1893. Es ist dramaturgisch wie schauspielerisch einer der Höhepunkte dieses Filmes.

Im großen Ganzen indes schildert Alfonso Gomez-Rejon den Konkurrenzkampf der beiden als Auseinandersetzung auf Distanz. Was sie übereinander wissen, erfahren sie aus Zeitungen oder vom Hören-Sagen. Wenn sie sich übereinander echauffieren oder des Anderen Ideen und Pläne erörtern, tun sie dies nicht in der Gegenwart des Anderen, sondern mit ihren Frauen, Investoren und Angestellten. Edison mit seinem Assistenten Samuel Insull, Westinghouse mit seiner Frau Marguerite und in späteren Jahren mit Nikola Tesla (1856-1943). Was zur Folge hat, dass in „Edison“ viel geredet und erklärt, aber kaum diskutiert wird.

Der Tüftler und der Geschäftsmann

Alfonso Gomez-Rejon hat „Edison“ mit viel Liebe für Details, großer Begeisterung für technische Apparate und ausgesprochenem Flair für eine bildmalerische Lichtsetzung inszeniert, Kameramann Chung Chung-hoon hat das Geschehen in oft verblüffend verwinkelten Einstellungen festgehalten. Edison, charismatisch gespielt von Benedict Cumberbatch, wird gezeigt als versponnener Tüftler und genialer Denker, der von seinem Treiben stets dermaßen in Anspruch genommen wird, dass er die kaufmännische Seite seines Unterfangens gern vergisst und kaum merkt, wie seine Frau Mary neben ihm verblasst. Michael Shannon gibt Westinghouse im Gegenentwurf bärbeißig-solid als stets profitorientierten Unternehmer und Geschäftsmann, der sich lange zurückhält, im richtigen Moment aber zugreift.

Man kann durchaus nachvollziehen, dass die Möglichkeit, in einem Film gleich zwei historisch wichtige Männer auftreten zu lassen, Gomez-Rejon reizvoll erschien. Er lässt seinen beiden Protagonisten auch ungefähr gleich viel Leinwandzeit. Da die beiden sich jedoch kaum je begegnen, ja, mehr noch, Edison in einer Szene ein geplantes Treffen mutwillig platzen lässt, indem er in einem Zug ungebremst an dem auf einem Bahnhof wartenden Westinghouse vorbeidonnert, danach aber nichts weiter geschieht, wirkt die ganze Story etwas belanglos.

Man fragt sich, ob Gomez-Rejon nicht besser beraten gewesen wäre, diese Geschichte aus Sicht eines Dritten zu erzählen: des Serbo-Kroaten Nikola Tesla. Der kam 1884 nach New York, arbeitete einige Monate bei Edison und wurde später von Westinghouse angeheuert. Das hätte „Edison“ vielleicht nicht rund gemacht, ihm aber doch eine verbindende Komponente verliehen, an der es ihm in der aktuellen Version leider mangelt.

Irene Genhart, FILMDIENST