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Filmkritik

Di 21. November 17.30 und 20 Uhr
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Paris kann warten

Drama Komödie Liebesfilm

Regie: Eleanor Coppola

mit: Diane Lane (Anne Lockwood), Arnaud Viard (Jacques Clément), Alec Baldwin (Michael Lockwood), Elise Tielrooy (Martine), Elodie Navarre (Carole), Serge Onteniente (Mechaniker), Pierre Cuq (Philippe), Cédric Monnet (Museumswärter)

USA, 2017, 93 min.

Die Frau eines US-amerikanischen Filmproduzenten soll nach dem Festival in Cannes von einem französischen Geschäftspartner nach Paris chauffiert werden. Der Bonvivant umgarnt sie auf ihrer tagelangen Reise mit landschaftlichen und kulinarischen Höhepunkten der Provence, was sie geduldig über sich ergehen lässt.

Langkritik:

Vielleicht ist Eleanor Coppola die Idee zu ihrem ersten Spielfilm ja dort gekommen, wo dieser seinen Anfang nimmt: auf dem Balkon eines schicken Hotelzimmers während der Filmfestspiele in Cannes. Es ist der erste Spielfilm der 81-jährigen Ehefrau von Francis Ford Coppola, die zuvor vornehmlich Dokumentationen über die Filme von Mann und Tochter Sofia Coppola gedreht hat. Jetzt macht sie den Filmtitel zum Programm. Der ersehnte Paris-Urlaub der attraktiven Anne (Diane Lane) mit ihrem Ehemann, einem vielbeschäftigten Produzenten (Alec Baldwin), droht zu platzen, als dieser für ein Filmprojekt direkt von Cannes nach Budapest reist. Anne darf wegen Problemen mit ihren Ohren nicht in das kleine Flugzeug steigen, stattdessen soll sie sich von Jacques, einem Geschäftspartner ihres Mannes, nach Paris kutschieren lassen.

Allerdings wollen Jacques und sein klappriger Peugeot Anne nicht einfach so an ihr Ziel bringen. Die Reise kommt nicht voran, weil Jacques jede Gelegenheit nutzt, Anne mit exquisiten Restaurants, Museen und Hotels auf der Strecke zu verwöhnen – und diese wenig galant von ihrer Kreditkarte bezahlen zu lassen. Mit mal nachsichtigem, mal geschmeicheltem Lächeln lässt Annes jeden Umweg und jedes romantische Picknick durchgehen. Im Gegenzug nennt Jacques sie bald nur noch zärtlich „Brûlée“, wie der verführerische Crème-Nachtisch, den die schon etwas ältere Anne für ihn darstelle. Die jungen Frauen, die sie auf der Reise treffen und mit denen Jacques sichtlich schon mehr als nur ein Dessert teilte, seien doch nur „Schnittchen“. Jacques denkt mit dem Magen. Anne lächelt geschmeichelt.

Hinter den Hotelfassaden der Croisette sind Ehefrauen, die von Filmprojekten ausgestochen werden, wahrscheinlich keine Seltenheit. Genauso wenig wie charmante Franzosen, die Amerikanern wie ein Abziehbild des Bonvivant vorkommen, während man selbst „wie Gott in Frankreich“ tafelt. Zu mehr Erkenntnissen reicht es auf der Spritztour durch die südfranzösischen Landschaften und Speisekarten nicht, die Anne in kleinen Foto-Schnappschüssen festhält: da ein Teil des Frühstücks, dort ein überwucherter Aquädukt-Bogen. Die Fotos werden ebenso eingeblendet wie die unvermittelt auftauchenden Gemälde, mit denen Jacques’ Provence-Schwärmereien untermalt werden. Ästhetisch überzeugend ist beides nicht.

Selten dürfte eine weibliche Hauptfigur im aktuelleren Kino als derart fremdbestimmt gezeichnet worden sein. Diane Lane spielt eine Ehefrau auf Abwegen, deren Unvermögen, Nein zu sagen, weniger aus ihren Gefühlen für Jacques herrührt als vielmehr aus einer Art weiblicher Höflichkeit, die Frauen öfters in die Bredouille bringt. Zumal Jacques mit Arnaud Viard nicht gerade adäquat zu Diane Lane besetzt ist.

Als Jacques mit Anne anscheinend ein Doppelzimmer in einem Stundenhotel beziehen will, hat sich seine Begleiterin schon wortlos ihrem Schicksal ergeben; erst dann wird klar, dass Jacques doch noch ein weiteres Zimmer bestellt hat. „Sie gehört zu mir“, weist er später einen aufdringlichen Konkurrenten in die Schranken und bestellt kurz darauf das, was Anne seiner Meinung nach essen und trinken soll. Thematisiert oder gar kritisiert wird diese Übergriffigkeit nie. Stattdessen tröstet Jacques eine Ex-Geliebte mit den Worten, sie sei ein Rohdiamant, den er habe ziehen lassen. Geschliffen wird jetzt erst einmal Anne.

Dass sie unter dem viele Jahre zurückliegenden Tod ihres kleinen Sohns leidet, scheint der Geschichte kurzfristig hinzuaddiert worden zu sein, da der tragische Hintergrund kaum eine Rolle spielt. Wenn man dann noch beobachtet, wie die Regisseurin die Musik der französischen Band Phoenix, deren Sänger mit Sofia Coppola liiert ist, im Film unterbringt, verwundert das Zustandekommen dieses wenig romantisch-komödiantischen Road Movie kaum noch. Ohne den Namen „Coppola“ hätte der Stoff bestimmt noch eine Weile warten müssen.

Kathrin Häger, FILMDIENST 2017/14