Drama Komödie
Regie: Sally Potter
mit: Kristin Scott Thomas (Janet), Timothy Spall (Bill), Patricia Clarkson (April), Bruno Ganz (Gottfried), Cherry Jones (Martha), Emily Mortimer (Jinny), Cillian Murphy (Tom)
Großbritannien, 2017, ab 12, 71 min.
Eine Politikerin hat Freunde in ihr Londoner Domizil geladen, um mit ihnen ihren Aufstieg zur Ministerin zu feiern. Die unterschwelligen Spannungen in der bildungsbürgerlichen Runde drohen zu eskalieren, als der apathisch wirkende Ehemann der Politikerin eine schockierende Eröffnung macht, der weitere unangenehme Wahrheiten folgen. Temporeiche, scharfzüngige Gesellschafts-Tragikomödie mit pointierten Dialogen und hervorragenden Darstellern, die die Beziehungen, Selbstbilder und Überzeugungen ihrer Figuren attackiert.
Ob Janet, Martha und April früher einmal so hungrig, rebellisch, idealistisch und romantisch waren, wie die in den 1960er-Jahren aufwachsenden Mädchen in „Ginger & Rose“ (fd 41 637)? In diesem Film hatte sich die britische Regisseurin Sally Potter mit jener Zeit auseinandergesetzt, die sie und ihr politisches Bewusstsein prägten – während sie nun mit „The Party“ den gegenwärtigen Ist-Zustand der linksliberalen Elite porträtiert, die aus der damaligen Studentenbewegung hervorging.
Oberflächlich liegt eine Erfolgsgeschichte hinter den Figuren, zumindest für die Frauen: Sie sind wohlhabend, angesehen und gebildet. Den Aufhänger für die Handlung liefert eine Party, bei der gefeiert werden soll, dass es die Politikerin Janet ins Zentrum der Macht geschafft hat: Sie soll im neuen Kabinett Gesundheitsministerin werden. Doch schon die Entscheidung, den Film in Schwarz-weiß zu drehen, deutet an, dass dieser Erfolg nicht ungetrübt ist: Der Lack ist ab, die Farbe heraus aus den politischen und sozialen Idealen genauso wie aus den privaten Beziehungen.
Das aus sieben Figuren bestehende Ensemble, das sich in dem kompakten Kammerspiel in einem schicken Londoner Haus versammelt, bildet eine Art Querschnitt linker bürgerlicher Existenzen ab. Neben der Politikerin Janet und ihrem Mann Bill sind das die lesbische Professorin Martha und ihre jüngere Lebenspartnerin Jinny. Beide drohen mit der Eröffnung, dass sie Drillinge erwarten, der designierten Ministerin fast die Show zu stehlen. Außerdem ist Janets scharfzüngige beste Freundin April mit ihrem Ehemann, dem esoterisch verschwurbelten Gottfried, zu Gast. Und als Außenseiter taucht auch noch der ziemlich desolate Banker Tom auf, der Ehemann von Janets Mitarbeiterin Marianne, zugekokst und mit einer Pistole in der Tasche.
Die von Anfang an spürbaren Spannungen und Reibungen zwischen den Figuren werden durch eine unerhörte Eröffnung von Janets Ehemann Bill spürbar angefacht. Der hielt sich bislang apathisch an einem Glas Rotwein fest und wirkte wie ein Fremdkörper im perfekten Party-Arrangement; doch nun verstört er mit einem Bekenntnis und setzt eine ganze Lawine schockierender Wahrheiten in Gang, die den gepflegten Tonfall und Sitten unter sich zu begraben droht.
Sally Potter erweist sich dank der dramaturgischen Dichte ihres lediglich 70-minütigen Films als würdige Nachfolgerin von Theaterautoren wie Harold Pinter und Edward Albee. Als sie 2015 mit dem Drehbuch begann, hatten die Wahlen zum Unterhaus die Konservativen als stärkste Partei bestätigt und die UK Independence Party zur drittstärksten Partei gemacht; der Regisseurin erschien es damals, wie sie in einem Interview erzählte, als hätte die Linke die Fähigkeit verloren, ihr eigenes Programm glaubwürdig zu vertreten. Die Dreharbeiten ein Jahr später wurden dann vom Brexit-Referendum überschattet. Nicht zuletzt vor diesem Hintergrund versteht Sally Potter ihren Film, der die Tragödie in eine Komödie verpackt, als ein Statement zu einem „gebrochenen“ England.
Was den Unterhaltungswert anbelangt, trifft die Inszenierung dabei voll ins Schwarze. Die durchweg exquisite Besetzung nimmt die Ideale der Alt-68er mit dermaßen pointierten Dialogen auseinander, dass man von einem verbalen Splatterfilm sprechen kann; trotzdem schaffen es Kristin Scott Thomas, Timothy Spall, Patricia Clarkson und die anderen, ihren genüsslich überzeichneten Charakteren immer noch so viel Menschlichkeit zu lassen, dass sie im Moment ihrer Entblößung zugleich Anteilnahme einfordern.
Das allerdings mag vielleicht eine Schwäche des Films sein: In seiner Analyse des Scheiterns der linksliberalen Elite bleibt er ziemlich unscharf. Als Bestandsaufnahme, wie und warum die weiblichen Charaktere, die ihre Rolle als Frau, aber auch die Gesellschaft grundlegend verändern wollen, stecken geblieben sind oder an Glanz verloren haben, fällt schlicht zu knapp aus. Hier ist die Inszenierung allzu sehr auf die theatralische Pointe hin angelegt, um den Figuren gerecht zu werden.
Felicitas Kleiner, FILMDIENST 2017/15