Komödie
Regie: Philippe de Chauveron
mit: Ary Abittan (José Fernandez), Medi Sadoun (Karzaoui), Cyril Lecomte (Guy Berthier), Slimane Dazi (Walid), Reem Kherici (Maria Carasco), Loïc Legendre (Lefevre), Patson (Alain Traoré), Félix Bossuet (Antoine)
Frankreich, 2016, ab,12 , 91 min.
Ein Algerier ohne Papiere gibt sich in Frankreich als Afghane aus, gerät in die Hände der Justiz und soll in seine vermeintliche Heimat abgeschoben werden. Renitent und redselig macht er sich auf dem Flug einen seiner Bewacher zum Feind, dessen berufliche Zukunft vom reibungslosen Ablauf des Auftrags abhängt. Bei einer Zwischenlandung wittert der Gefangene die Chance zur Flucht, doch sein Verfolger entpuppt sich als ausgesprochen hartnäckig.
Eine falsche Identität sollte sorgfältig gewählt sein. Der Algerier Akim wäre jedenfalls besser beraten gewesen, nicht dem erstbesten schlafenden Afghanen den Ausweis zu klauen. Bei seinen kleinen Betrügereien gerät Akim bald in eine Polizeikontrolle und erlebt ein böses Erwachen: Der Passbesitzer Karzaoui wird wegen Diebstahls gesucht. Akims Unschuldsbeteuerungen stoßen auf taube Ohren. Auch sein eigens zugelegter Vollbart erweist sich nicht als hilfreich. So heißt es erst einmal Gefängnis in Frankreich und dann rasche Abschiebung in seine vermeintliche Heimat, begleitet von den Polizisten José und Guy.
Für die beiden sind Gefangene, die sich als Opfer fataler Verwechslungen bezeichnen, erst recht Routine. José hört schon lange nicht mehr zu und fordert höchstens mal mit groben Worten Ruhe ein; Guy schläft sowieso die meiste Zeit oder plant ein Techtelmechtel mit den Flugbegleiterinnen. Das hat seinem solideren Partner José letzthin ein handfestes Problem eingebracht: Seit seine Freundin via Handykamera eine fast nackte Frau in seinem Hotelzimmer erblickt hat, liegt die Beziehung auf Eis. Immerhin könnte es beruflich für José aufwärtsgehen, doch alles hängt von seinem aktuellen Auftrag ab. Das Letzte, was José braucht, ist ein Klient wie Karzaoui – ein renitenter Dauerquassler, der offenbar jederzeit auf Flucht bedacht ist. Als sich durch eine unverhoffte Zwischenlandung auf Malta ihre Zwangsgemeinschaft verlängert, liegen die Nerven des Polizisten endgültig blank, während Akim nun erst recht seinen Bewachern entkommen will.
„Alles unter Kontrolle!“ bemüht eine klassische Typen-Verteilung des Buddy-Movies: Hier die penetrante Nervensäge, die jeden ins Koma quatschen kann, dort der gepeinigte Gegenspieler, der zunehmend genervt die Contenance zu wahren versucht. Die Filmgeschichte hat sich diese Konstellation oft und mit sehr wechselhaftem Erfolg zunutze gemacht; im französischen Kino lässt sich an publikumswirksame Paarungen wie Pierre Richard/Gérard Depardieu oder Christian Clavier/Jean Reno denken.
Philippe de Chauveron setzt im filmischen Nachfolger seines Kassenhits „Monsieur Claude und seine Töchter“ (fd 42 478) erneut auf die Komiker Ary Abittan und Medi Sadoun, die er darin als jüdischen respektive muslimischen Schwiegersohn besetzt hatte. Auch im Plot versucht er an seinen Überraschungserfolg anzudocken: Nach den Ressentiments des französischen Bürgertums ist diesmal die aktuelle Flüchtlingsthematik dran.
Damit ist das meistdiskutierte Thema nach Dokumentarfilmen, Dramen und ersten komödiantischen Kino-Ansätzen wie „Welcome to Norway“ (fd 44 221) und „Willkommen bei den Hartmanns“ (fd 44 286) nun auch in den Niederungen der Klamotte angekommen. Denn de Chauveron verlässt sich allein auf einen Holzhammer-Humor, der Tempo mit Hektik, Ausdrucksstärke mit Grimassen und ein farbenfrohes Figurenarsenal mit eindimensionalen Abziehbildern verwechselt.
Seine Hauptdarsteller leisten ihm dabei mit maßlosem Chargieren willfährig Schützenhilfe. Doch egal, ob Akim mit einem Duftspray einen fingierten Selbstmordversuch unternimmt, José seinem nervenden Gefangenen ein riesiges Stück Seife in den Mund stopft oder sich beide im Nachtleben von Malta zwischen Disco, Striplokal und Sauna danebenbenehmen – komisch wirken sie nie. Plump gezeichnete Nebenfiguren wie der zwangslüsterne Guy, ein selbstverliebter Pilot und sein lispelnder schwuler Steward machen das Ganze nicht besser, während Frauen in diesem Film auf unsensible Spaßbremsen oder – gern in Zeitlupe vorgeführtes – Augenfutter für die Männerzunft reduziert werden.
All das ist ärgerlich, wird aber noch von dem unbedarften Umgang mit dem zentralen Problemfeld getoppt. Das Potenzial, etwas zu willkürlichen staatlichen Aktionen oder Gewalt gegen Flüchtlinge zu sagen, verstreicht ein übers andere Mal in Belanglosigkeit, wenn „Alles unter Kontrolle!“ durch seinen Mangel an Hintergründigkeit nicht auch noch die Vorurteile von primitiven und faulen Schmarotzern zu bestätigen scheint. Nur wenn sich die dahinplätschernde Komödie zum Ende hin für kurze Zeit aufs Mittelmeer und auf die Insel Lampedusa verlagert, blitzt für Momente die Verheißung auf subversive Töne auf. Doch schnell findet der Film wieder zu sich selbst und versinkt erneut im Klamauk.
Marius Nobach, FILMDIENST 2017/8