Filmkritik

Di 12. Juli 2022
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Wunderschön

Komödie

Regie: Karoline Herfurth

mit: Emilia Schüle (Julie Abeck) · Martina Gedeck (Frauke Abeck) · Nora Tschirner (Vicky) · Joachim Król (Wolfgang Abeck) · Friedrich Mücke (Milan)

Deutschland 2020 | 132 Minuten | ab 6

Der komödiantische Episodenfilm kreist um sechs Frauen unterschiedlichen Alters, die mit ihrem Aussehen, vorgefertigten (Rollen-)Bildern und eigenen wie fremden Erwartungen an ihrer äußeren wie inneren Schönheit hadern. Die beiden zentralen Erzählstränge packen die Themen originell und vielschichtig an; bei den melancholischeren Charakteren wirkt manches allerdings etwas eindimensional und bekannt. Spitzzüngige Dialoge und ein hochkarätiges Ensemble gewährleisten eine gelungene Verbindung aus unterhaltsamem Feel-Good-Kino und gesellschaftlich relevanten Themen. Die offene, unideologische Herangehensweise an die strittigen Fragen verdient Respekt.

Langkritik:

„Wenn es einfach egaler wäre, wie wir aussehen – was würden wir alles mit der frei gewordenen Energie und Lebenszeit anfangen? Wahrscheinlich würden wir nicht unsere Träume verändern – sondern die Welt!“ So heißt es am Ende von „Wunderschön“. Verstanden hat man diese Botschaft da natürlich schon lange. Schon im Vorspann werden gelackte Image-Bilder und verlogene Selbstoptimierungs-Slogans mit Aufnahmen „echter“ Frauen mit Falten und Fettpolstern gegengeschnitten. Sie stammen von den Protagonistinnen des Films, die den ohnehin nur mit Retusche erreichbaren Vorstellungen der Schönheits- und Werbeindustrie nicht genügen. Das ist flott und geschickt gemacht, wenn auch nicht unbedingt subtil. Wie die Komödie von Karoline Herfurth ihr Thema mitunter etwas überdeutlich erzählt.

In den beiden zentralen Episoden des Ensemblefilms aber, der anhand sechs Frauenfiguren miteinander verwobene Erzählstränge aufblättert, gelingt ein origineller, kluger und vielschichtiger Zugriff auf die Themen Aussehen, Emanzipation von vorgefertigten (Rollen-)Bildern sowie einer Relativierung äußerer – und innerer – Schönheit. Ein wiederkehrendes Motiv ist dabei die Unehrlichkeit gegenüber anderen, aber mehr noch sich selbst gegenüber.

Alles andere als eine Heiligenfigur

Nora Tschirner spielt die auf dem schmalen Grat zwischen Coolness und Chaos, Ironie und Idealismus balancierende Kunstlehrerin Vicky, die ihren Schülern einen kritischen Blick auf äußere Zuschreibungen und einen Perspektivwechsel hin zu inneren Werten vermitteln will. Ansonsten rempelt die ebenso emanzipierte wie bindungsscheue Pädagogin derart unverblümt und rotzig ihre Mitmenschen an, dass daraus alles andere als eine Heiligenfigur wird.

Vickys beste Freundin Sonja (Karoline Herfurth) hat vor Kurzem ihr zweites Kind bekommen. Sie und ihr Mann Milan tragen schwer an ihrem stressigen Alltag. Zudem fühlt sich Sonja in ihrem von den Schwangerschaften gezeichneten Körper unattraktiv. Die Probleme verschieben sich, als Sonja gegen Milans Widerstand beschließt, wieder arbeiten zu gehen.

Anhand dieses Erzählstrangs wird stimmig und gänzlich unideologisch davon erzählt, wie die beiden auf dem Weg zum Krankenhaus noch ein gleichberechtigtes Paar des 21. Jahrhunderts sind, beim Verlassen des Kreißsaals aber in die Rollenverteilung der 1950er-Jahre zurückgefallen sind. Der Mega-Stress durch eine fordernde Berufstätigkeit beider Elternteile und der gleichzeitigen Kinderbetreuung wird hier ebenso in Frage gestellt wie die klassische Alleinverdiener-Hausfrau-Option.

Manche Konflikte von Sonja zwischen Familie und Beruf erinnern dabei an ihre Figur der Carlotta aus „Das perfekte Geheimnis“. Und auch die ein oder andere Schulszene rund um Vicky, ihre pubertierende Klasse und den ziemlich hotten Kollegen Franz ruft auf dezente Weise Erinnerungen an die „Fack ju Göhte“-Reihe wach, an der Karoline Herfurth ja ebenfalls prominent beteiligt war.

Schwer zu vereinen: Familie, Beruf, Partnerschaft

Es ist also eine offene, fragende und damit genau die richtige Herangehensweise an ein aktuelles Problem: Wie lassen sich Familie, Beruf und Partnerschaft für alle Beteiligten zufriedenstellend miteinander vereinen?

Etwas weniger Energie und Einfallsreichtum hat Herfurth offenbar auf die weiteren Erzählstränge verwandt. Zwar überzeugen auch die Figuren von Julie, Frauke, Leyla und Gabo, nicht zuletzt wegen ihrer guten Darstellerinnen Emilia Schüle, Martina Gedeck, Dilara Aylin Ziem und Melika Foroutan. Doch als Charaktere sind sie nicht allzu originell und bleiben etwas eindimensional.

Während Herfurth bei den komödiantisch angelegten Figuren sehr treffsicher ist, scheint sie bei den eher melodramatischen Charakteren ein wenig zu fremdeln. So ist die Story um das unglückliche Model Julie, das sich für den Traum vom Laufsteg mit seinen Diäten, Drogen, Medikamenten und viel Workout fast umbringt, ziemlich erwartbar. Auch die Episode um die etwa 60-jährige Frauke, die sich für ihr Leben ein bisschen Spaß, Erotik und Romantik wünscht, dafür aber den falschen Mann an ihrer Seite hat, hat man trotz Martina Gedeck und Joachim Król so oder ähnlich schon einmal zu oft gesehen.

Interessanter ist die ruhig erzählte Episode um die wortkarge Leyla: eine Teenagerin, die so gar nicht dem Körperideal entspricht, das unter anderem ihre eigene Mutter Gabo, Leiterin von Julies Modelagentur, tagtäglich zementiert.

Plädoyer für einen entspannten Blick

Trotz mancher Schwachstellen und eines allzu versöhnlichen Happy Ends hinterlässt „Wunderschön“ einen stimmigen Eindruck. Die Kombination aus unterhaltsamem Feel-Good-Kino und gesellschaftlich relevanter Thematik gelingt Herfurth als Autorin, Regisseurin und Schauspielerin. Allein die minutenlange sarkastische Reaktion der von ihr gespielten Sonja auf ein konservatives Kinderbuch ist ein echtes Kabinettstückchen, ebenso wie die ironische Begeisterung, mit der Nora Tschirners das (vermeintliche) Hinterherpfeifen eines Mannes spiegelt.

In solchen Momenten beginnen spitzzüngige Dialoge zu leuchten. Dazu kommt eine überzeugend uneitle Haltung gegenüber dem eigenen Bild und Körper, was nicht unwichtig ist bei einem Film, der für einen entspannten, selbstbestimmten Blick aufs eigene Äußere plädiert.

Katharina Zeckau, FILMDIENST