Filmkritik

Di 20. August 17.30 und 20 Uhr
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Ein Gauner & Gentleman

Biopic

Regie: David Lowery

mit: Robert Redford (Forrest Tucker) · Casey Affleck (John Hunt) · Sissy Spacek (Jewel) · Danny Glover (Teddy Green) · Tika Sumpter (Maureen Hunt)

USA 2018 | 94 Minuten | ab 6

Die Geschichte eines alten Ganoven im ländlichen Texas der 1980er-Jahre, der nonchalant und nicht ohne Mitgefühl für seine Opfer Banken ausraubt und 17 Mal aus Gefängnissen ausgebrochen ist. In seinem angeblich letzten Film entwirft der US-Schauspieler Robert Redford das facettenreiche Porträt eines charismatischen Gauners, dem sogar die von ihm Bestohlenen zugestehen, dass er immer ein Gentleman gewesen sein. Ein zwischen hintersinniger Komik und lyrisch akzentuiertem Realismus schwebendes Alterswerk, das sehr gelungen den Redford-Mythos vom Sundance Kid in einer seinem Alter und der Zeit angepassten Form wiederbelebt. - Sehenswert ab 14.

Langkritik:

In einer Altersrolle belebt Robert Redford als alternder Ganove im ländlichen Texas der 1980er-Jahre seinen eigenen Mythos als Sundance Kid.

Wer über Robert Redford spricht, denkt immer auch an Sundance Kid zurück, jenen charmanten jungen Gauner in George Roy Hills 50 Jahre altem Western „Butch Cassidy and the Sundance Kid“ (deutscher Titel: „Zwei Banditen“). Man kann gut verstehen, dass Redford am selbst erklärten Ende seiner Schauspielerkarriere noch einmal zu der ikonischen Figur und jener Rolle zurückkehren wollte, die ihm den Weg zum Starruhm ebnete und die sich in die Herzen seiner Fans eingeschrieben hat.

Das Alter mag inzwischen sein Gesicht gezeichnet haben, und die Leichtigkeit der Bewegungen ist dem mühsamen Gang eines 80-Jährigen gewichen, aber der Schalk blinkt unverändert aus seinen Augen, und die Ähnlichkeit mit dem strahlenden Sundance Kid ist unverkennbar. Eine der bemerkenswertesten Filmkarrieren Hollywoods rundet sich in „Ein Gauner & Gentleman“.

Hauptfigur und Story des Films beruhen auf der Lebensgeschichte eines gewissen Forrest Tucker, die 2003 durch einen Artikel in dem Magazin „The New Yorker“ der Vergessenheit entrissen wurde. Tucker war ein Bankräuber, der Texas und die angrenzenden Staaten unsicher machte und nicht weniger als 17 Mal aus unterschiedlichen Gefängnissen ausgebrochen ist. Was ihn in den Augen derer auszeichnete, die ihn kannten, waren sein altmodisch gutes Benehmen und seine freundlichen Umgangsformen, die ihn vom landläufigen Bild des Banditen unterschieden. Sogar die von ihm Bestohlenen fanden stets ein gutes Wort für ihn. „Er war ein Gentleman“; darin waren sich alle einig.

Auf den Spuren von Forrest Tucker

Für Redford muss es eine große Freude gewesen sein, Forrest Tucker auf der Leinwand lebendig werden zu lassen. Hier kann er zeigen, wie sich die Zeiten und wie er sich verändert haben. Redford nähert sich der Rolle mit derselben Zurückhaltung und Selbstkontrolle, die er schon in „All Is Lost“ an den Tag legte. Nie scheint ihm auch nur der Anflug des Gedanken gekommen zu sein, die Singularität des bis ins hohe Alter charismatischen Ganoven als Sprungbrett für spektakuläre schauspielerische Aktionen zu nutzen. Ein gelegentliches Zwinkern in den Augen reicht, um einen Mann glaubwürdig zu machen, der sein Leben lang das Gesetz missachtet hat, ohne einem seiner Opfer weh tun zu wollen.

Mit dem Regisseur David Lowery hat Redford nicht nur Glück gehabt, sondern offenbar auch völliges Einverständnis erzielt, was den Stil des Films anbelangt. Von Anfang an ist es eine weniger krass-realistische als vielmehr listige, hintersinnige Geschichte, die erzählt wird: Tuckers Begegnung mit einer für ihr Alter immer noch sehr attraktiven Witwe (Sissy Spacek), die seinen Flunkereien nicht glaubt, aber glauben möchte; Tuckers Verhältnis zu seinen beiden Helfershelfern (Danny Glover, Tom Waits), die nebenbei auch noch den in den USA populären Fernsehfilm „The Over-the-Hill-Gang“ parodieren; und vor allem die Raubzüge selbst, die nichts als verblüffte Opfer hinterlassen.

Eine Story mit Ecken und Kanten

Bei aller Konzentration auf die augenzwinkernde Originalität des unkonventionellen Bankräubers, dem der Film und das Publikum mehr und mehr verfallen, hat die Story aber auch Ecken und Kanten, die das zurechtrücken, was gelegentlich hinter der Sympathisierung eines Gauners verloren zu gehen droht. Casey Affleck spielt mit der ihm eigenen Einsilbigkeit einen glücklich verheirateten Polizeidetektiv, der sich nicht nur an Tuckers Spuren heftet, sondern dessen Privatleben durch den ungewöhnlichen Fall in Unordnung gebracht wird. Außerdem taucht Tuckers lebenslang aus seinem Dasein verbannte Tochter auf, die gebrochenen Herzens ihre Entfremdung von dem stets abwesenden Vater kundtut.

Redford und Lowery stimmten wohl darin überein, dass „Ein Gauner & Gentleman“ im Umfeld angestaubter US-amerikanischer Provinzstädtchen der frühen 1980er-Jahre belassen werden musste, deren verwitternde, aber gerade deshalb reizvolle Kulisse der Geschichte eine Patina verleiht, die den Schwebezustand zwischen Realismus und lyrischer Idealisierung nicht nur bestätigt, sondern zur durchgehenden Kennzeichnung des Films macht.

Aufgenommen mit leicht beweglichen Super-16mm-Kameras, ist alles auf Augenhöhe des Zuschauers. Keine Runzel in Redfords Gesicht bleibt dem Publikum verborgen, kein Blinzeln seiner blauen Augen. Aber gleichzeitig spiegeln sich die Konsequenzen seines Verhaltens in Bildern von körniger Entmythisierung. Darin besteht der Unterschied zwischen „Butch Cassidy and the Sundance Kid“ und „Ein Gauner & Gentleman“: Der jugendliche Hollywood-Glamour ist einem reflexiven Alterswerk gewichen.

Franz Everschor, FILMDIENST