Drama Literaturverfilmung
Regie: Denzel Washington
mit: Denzel Washington (Troy Maxson), Viola Davis (Rose Maxson), Stephen McKinley Henderson (Jim Bono), Jovan Adepo (Cory Maxson), Russell Hornsby (Lyons Maxson), Mykelti Williamson (Gabriel Maxson), Saniyya Sidney (Raynell Maxson), Christopher Mele (Deputy Commissioner)
USA, 2016, ab 6, 139 min.
Ein etwa 50-jähriger Afroamerikaner, der früher ein hervorragender Baseballspieler war, hat sich in den 1950er-Jahren in einer soliden Existenz als Müllmann in Pittsburgh eingerichtet. Sein Selbstbild als uneingeschränkter Patriarch gerät jedoch aus den Fugen, als er mit einer jüngeren Frau anbandelt und sein Sohn als Footballspieler die Rassengrenzen zu durchbrechen droht, die der Vater für das Ende seiner eigenen Sportkarriere verantwortlich macht. Die Verfilmung eines Theaterstücks von N.N. behält die wuchtige Sprache und den einheitlichen Handlungsort der Vorlage bei, verdeutlicht damit aber schlüssig die enge Gedankenwelt der Figuren. Auf engem Raum entfaltet sich das Drama einer zerrissenen schwarzen Kleinbürgerfamilie, verkörpert von brillanten Darstellern.
Der Hinterhof wirkt schmutzig und abweisend. Ein kleiner, verwilderter Garten voller Unkraut, angeknackste Gartenstühle, einige Tonnen, ein Schuppen, ein Baum mit einer Schnur, an der ein abgewetzter Ball hängt – die Unordnung im Hof spiegelt die unstete Gemütslage des Hausherrn: Troy Maxson schreitet mit aggressivem Misstrauen durchs Leben, gerade weil er vieles hat, worum ihn andere Afroamerikaner im Jahr 1957 beneiden.
Der 53-Jährige ist glücklich verheiratet, besitzt ein eigenes Haus, hat keine Schulden und einen soliden Arbeitsplatz bei der Müllabfuhr. Wenn er mit seinen Kollegen durch die Straßen von Pittsburgh fährt, beschwert er sich zwar darüber, dass Schwarze nur Tonnen leeren, aber nicht hinter dem Lenkrad des Müllwagens sitzen dürfen. Daran, dass sich an der Benachteiligung wegen der Hautfarbe irgendwann etwas ändern könnte, glaubt Troy jedoch nicht. Er schwört auf Stabilität, und dazu gehören auch fixe Machtverhältnisse: die der Weißen über die Schwarzen, aber auch die von Troy über seine Familie.
In seinem 1987 mit dem „Pulitzer Prize“ und dem „Tony Award“ ausgezeichneten Bühnenstück „Fences“ schuf der Dramatiker August Wilson (1945-2005) eine der eindrücklichsten Figuren der US-Theatergeschichte. Troy Maxson ist ein charismatischer Maulheld, der seinen Lebensweg wie ein Stück Folklore betrachtet: arm geboren, mit 14 Jahren vor der Gewalt des Vaters davongelaufen, ein Kleinkrimineller, der wegen Totschlags im Knast saß. Dort lernte er Baseball spielen und wurde einer der besten Spieler des Landes. Doch die Rassengesetze verhinderten eine Profi-Karriere.
Womöglich lag das auch an seinem Alter, wie seine Frau Rose meint. Doch das will Troy nicht hören, denn seine andere Wesensseite ist die eines mit eiserner Hand agierenden Patriarchen. Sein gedankliches Weltgefüge ist nicht nach Sympathien, sondern nach Pflichten strukturiert. Wenn er mit seiner Arbeit für seine Familie sorgt, hat diese ihm gefälligst Respekt zu zollen. Vor allem mit seinem 17-jährigen Sohn Cory gerät er so ständig in Streit. Der begabte Schüler ist ein vielversprechendes Football-Talent, doch der Vater verweigert seine Unterstützung. Wo er selbst gescheitert ist, soll auch sein Sohn nicht reüssieren.
„Fences“ rührt an ein Konfliktfeld, das tief in den Grundfesten der US-amerikanischen Gesellschaft verankert ist. Die wachsende Erkenntnis der Hauptfigur vom Scheitern ihres Lebensentwurfs und damit das böse Erwachen aus dem Amerikanischen Traum verbindet Wilsons Stück mit Tennessee Williams’ „Endstation Sehnsucht“ und Arthur Millers „Tod eines Handlungsreisenden“, Klassikern, denen es auch durch die außergewöhnlich lebendige Sprache gleicht. Die wuchtigen Dialoge, in denen sich die Zerrissenheit der kleinbürgerlichen schwarzen Familie erweist, dominieren deshalb auch die von Denzel Washington inszenierte Verfilmung.
Obwohl der Film auch visuell überzeugt, mit vielen Braunstichen, die die 1950er-Jahre wiedererwecken, und einige stumme Sequenzen zwischen die Dialogszenen eingefügt sind, kommt es Washington offensichtlich vor allem auf eine möglichst nahtlose Übertragung der Bühnenqualitäten an. Aus dem gefeierten Broadway-Revival von „Fences“ aus dem Jahr 2010 sind neben Washington auch vier weitere Darsteller im Film mit dabei; der Text wurde nahezu wortgetreu übernommen, die Einheit des Handlungsorts kaum aufgebrochen. Einige Szenen spielen zwar im Inneren des Hauses, an Troys Arbeitsplatz oder auf der Straße vor seinem Haus, mit den rauchenden Schloten der Stahlwerke von Pittsburgh am Horizont, doch im Wesentlichen dominieren die Grenzen des Hinterhofs das Geschehen.
Was erst wie Mangel an filmischem Wagemut aussieht, erweist sich allmählich als durchaus schlüssig. Immerhin vermittelt sich so sehr prägnant, wie schwer sich die Figuren aus ihrer begrenzten Gedankenwelt befreien können. Man kann ihnen hautnah bei ihren Auseinandersetzungen zusehen. Denn vor allem anderen ist „Fences“ grandioses Schauspielkino: Denzel Washington spielt den knallharten Despoten ebenso bezwingend wie den charmanten Dampfplauderer und den liebenden, wenn auch untreuen Ehemann. Doch auch die anderen Darsteller können sich daneben entfalten. Am stärksten prägt sich Viola Davis als Troys vielgeplagte Frau Rose ein. Wie sie beständig damit ringt, nur sanften Druck auf ihren temperamentvollen Mann auszuüben, um kleine Fortschritte zu erzielen, ist eine Tour de Force der Zurückhaltung, die sich schließlich in bitterer Wut entlädt: als erschütternder Aufschrei gegen den selbstsüchtigen Mann, wann denn endlich ihre Zeit komme. Was „Fences“ neben der Gesellschafts- und Vater-Sohn-Ebene unversehens auch das Emanzipationsdrama einer Frau einschreibt.
Mairus Nobach, FILMDIENST 2017/4