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Filmkritik

Di 6. Juni 17.30 und 20 Uhr
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La La Land

Musical

Regie: Damien Chazelle

mit: Ryan Gosling (Sebastian), Emma Stone (Mia), J.K. Simmons (Bill), John Legend (Keith), Finn Wittrock (Greg), Rosemarie DeWitt (Laura), Tom Everett Scott (David), Meagen Fay (Mias Mom), Jason Fuchs (Carlo), Josh Pence (Josh), Callie Hernandez (Tracy)

USA, 2016, 128 min.

Eine junge Schauspielanwärterin und ein Jazz-Pianist finden in Los Angeles zueinander, erleben den Höhenflug ihrer ersten Liebe, erfahren aber auch die Belastungen ihrer Beziehung, als sie ihre Karrieren neu ausrichten. Ein von der Handlung betont schlichtes, inszenatorisch dafür umso einfallsreicher inszeniertes Jazz-Musical, das mit charmanten Darstellern, ausgefeilten Choreografien und beschwingten Songs begeistert. Ohne sich je im bloßen Imitat zu erschöpfen, greift der Film auf klassische Vorbilder zurück und verdichtet sich zu einer mitreißenden Hommage auf Los Angeles, das Kino und das Recht zu träumen. - Sehenswert

Langkritik:

Was für ein Anblick! In der ganzen Weite des Cinemascope-Formats breitet sich Los Angeles County aus, die Stadt selbst blinkt verheißungsvoll am Horizont. Jedenfalls, wenn man nicht auf den verstopften Freeways dorthin muss, so wie die Menschen in den Fahrzeugkolonnen, mit denen ein wenig prosaischer Alltag in den Film kommt.

Langsam gleitet die Kamera an den hupenden Autos entlang, bis eine Fahrerin plötzlich aussteigt und eine Hymne auf L.A. anstimmt, bald gefolgt von den anderen Wageninsassen. Wie sie dabei im choreografischen Einklang auf den Autodächern singen und tanzen, erinnert an das aktuelle Phänomen der Flashmobs, ist zugleich aber schon die erste Referenz an die Geschichte des Musical-Genres.

Tanzen ist im Kino immer auch „Freitanzen“, ob wie hier von der Zumutung des Verkehrs und der kalifornischen Gluthitze oder wie im klassischen Hollywood von den diversen Drehbuch-Zwängen, die so vollendete Tänzer wie Fred Astaire, Ginger Rogers und Gene Kelly daran hindern wollten, sich ihrem ureigensten Talent hinzugeben.

Auch die Geschichte, die der US-Regisseur Damien Chazelle in „La La Land“ erzählt, erinnert an Astaire-Rogers-Paarungen wie „Top Hat“ (fd 976). So wie diese immer mehrere Begegnungen brauchten, um zueinander zu finden, ist es auch bei Ryan Gosling und Emma Stone als ihren modernen Wiedergängern Sebastian und Mia keine Liebe auf den ersten Blick. Mia arbeitet in einem Café und geht regelmäßig zu Vorsprechen, sieht ihren Traum aber stets nach einem Satz wieder platzen. Der Pianist Sebastian träumt derweil von einem eigenen Jazz-Club, tut sich aber vorerst schwer, auch nur die Lebenshaltungskosten mit seiner Musik zu bestreiten. Kein Wunder, dass der erste genervte Kontakt zwischen ihnen eigentlich gar keiner ist. Sie haben genug anderes im Kopf.

Mit dem Ringen von Künstlern um einen Platz in der Welt greift Damien Chazelle das Thema seines Films „Whiplash“ (fd 42 916) wieder auf, allerdings unter gänzlich anderen Vorzeichen. Wo sich die junge Hauptfigur darin bis zur Selbstzerstörung aufrieb, um einem tyrannischen Bandleader zu gefallen, widersetzt sich Sebastian hier dem Druck seines Bosses; dass beide Autoritätsfiguren vom selben Schauspieler, J.K. Simmons, gespielt werden, ist eine zusätzliche Pointe.

Statt in einem Restaurant nur im Hintergrund zu klimpern, lässt Sebastian sich zu einer Improvisation hinreißen, wofür er prompt gefeuert wird. Mit seiner Musik hat er jedoch die zufällig vorbeigehende Mia erreicht, die der trotzig hinausstürmende Pianist allerdings ein weiteres Mal übersieht.

So ist es, anders als in alten Hollywood-Musicals, der jungen Frau vorbehalten, die Beziehung anzustoßen. Als sie Sebastian bald darauf auf einer Party wiedertrifft und das Gespräch mit ihm sucht, sprühen die Funken schon heftiger. Ein wenig kabbeln sie sich noch, doch ein Spaziergang schafft endgültig Klarheit: Im pastellfarbenen Licht der untergehenden Sonne und aufflammenden Straßenlaternen kommt es zur ersten einer Reihe charmanter Tanzszenen, die durch die natürliche Ausstrahlung der Darsteller zuerst spontan wirken, um dann an Intensität und Einfallsreichtum zuzunehmen, je mehr sich die Beziehung entwickelt. Der Höhepunkt ist ein Besuch in jedem Planetarium bei L.A., in dem schon zentrale Szenen von „...denn sie wissen nicht, was sie tun“ (fd 4852) gedreht wurden. Hier streift das Paar endgültig alle irdischen Fesseln ab und entschwebt in den Sternenhimmel, um seine Liebe dort tanzend zu besiegeln.

Trotz aller Technicolor-Bilder, ausgefeilter Choreographien und der beschwingten Melodien von Justin Hurwitz ist „La La Land“ allerdings weit mehr als ein Imitat der Filme eines Vincente Minnelli oder Stanley Donen und erschöpft sich auch nicht in der bloßen Hommage. Damien Chazelle lässt Mias und Sebastians Beziehung in vier Kapiteln und einem Epilog Höhen und Tiefen durchmachen, mit reichlich melancholischen Noten, die als weiteres Vorbild Jacques Demys „Die Regenschirme von Cherbourg“ (fd 30 511) ausweisen. Ein glattes Happy End ist daher nicht zu erwarten, wenn Sebastian und Mia in der zweiten Hälfte ihre Karrierepläne neu ausrichten und sich der Preis des Erfolgs als bittersüß erweist.

Bei all der erstaunlichen Sicherheit, mit der der erst 31-jährige Damien Chazelle mit Elementen der Kino-Musical-Historie jongliert, ist allenfalls die Story etwas schlicht geraten. „La La Land“ ist sicher nicht der Film, der mit dem Fehlschluss aufräumen wird, Musicals könnten nicht auch komplexe Inhalte transportieren. Dafür aber könnte er sehr wohl ein neues Publikum für ein Genre gewinnen, das seine Virtuosität nicht immer so dezent präsentiert wie in diesem Fall.

Dass Chazelle die Chemie zwischen den Darstellern über gesangliche und tänzerische Perfektion stellt, macht es leichter, sich in diese Welt der Träume hineinzufinden, die mittels der Musik beschworen wird. Nicht weil der Film weismachen würde, dass Träume stets in Erfüllung gehen müssten. Sondern weil er klarmacht, wie furchtbar es wäre, keine zu haben.

Marius Nobach, FILMDIENST 2017/1