Komödie
Regie: François Desagnat
mit: André Dussollier (Hubert Jacquin), Bérengère Krief (Manuela Baudry), Arnaud Ducret (Paul-Gérard Langlois), Julia Piaton (Marion Legloux), Nicolas Marié (Samuel Edlemann), Vincent Desagnat (Roméro), Blanche Gardin (Rose), Mathieu Madenian (Arnaud), Audrey Looten (Valérie), Nathalie Roussel (Isabelle)
Frankreich, 2016, 97 min.
Ein pensionierter Arzt verliert nach dem Tod seiner Frau fast alle sozialen Kontakte, bis sich ihm durch ein Missverständnis eine Studentin als Mitbewohnerin in seiner geräumigen Wohnung aufdrängt. Nach anfänglichem Widerstand findet er an der neuen Situation Gefallen und akzeptiert sogar zwei weitere Wohngenossen, die diverse Neurosen und Probleme mit einbringen. Flotte Komödie über eine generationenübergreifende Wohngemeinschaft.
Aktuell haben verbitterte alte Witwer, die allein in ihren ausgedehnten Pariser Wohnungen hocken, Hochkonjunktur, während die Zahl der Wohnungssuchenden unaufhaltsam zunimmt. Zumindest in Frankreich bewegt die Frage des knappen Wohnraums die Gemüter offensichtlich so sehr, dass zu diesem Thema binnen Kurzem gleich zwei Komödien mit ähnlichen Lösungsvorschlägen produziert wurden. Nachdem sich in „Frühstück bei Monsieur Henri“ (fd 44 046) ein alter Griesgram mit einer Studentin zusammenraufen musste, widmet sich nun auch „Gemeinsam wohnt man besser“ den Konflikten in einer generationsübergreifenden Wohngemeinschaft. Dessen Hauptfigur Hubert Jacquin kommt allerdings weit menschenfreundlicher als der bissige Monsieur Henri daher. Monsieur Hubert ist über Jahrzehnte ein angesehener Mann gewesen, erfüllt von seinem Beruf als Arzt und glücklich verheiratet. Erst der Ruhestand und der Tod seiner Frau haben sein Bedürfnis nach sozialen Kontakten zum Erliegen gebracht.
Einen gewissen Lebensstandard braucht Hubert allerdings noch immer, und weil er sein Heim nicht allein in Ordnung halten kann, sucht er nach einer Putzfrau. Über einen Aushangzettel findet er eine junge Frau, die beim ersten Besuch die geräumige Wohnung fasziniert in Augenschein nimmt. Allerdings steht ihr der Sinn nicht nach Saubermachen, sondern nach einem neuen Ort zum Leben. Nach kurzem Widerstand sieht das auch Hubert ein und nimmt die quicklebendige Manuela bei sich auf; als sich recht bald ihre Untauglichkeit zum Haushaltführen erweist, akzeptiert er sie auch als reine Mitbewohnerin.
Die Art, wie sie sein Leben umkrempelt, verleitet ihn sogar zu Torheiten, und so gibt er am Ende einer Partynacht betrunken ein unüberlegtes Versprechen: Von einem „vorübergehenden“ Arrangement soll zwischen Manuela und ihm keine Rede mehr sein, stattdessen wird er gern auch noch weitere Mieter in seiner Wohnung akzeptieren.
Nach einem durchaus flotten Einstieg, in dem der distinguierte André Dussollier und die talentierte Komikerin Bérengère Krief ein amüsantes Paar abgeben, schlägt der Film eine vorhersehbare neue Richtung ein. Aus zwei werden für den Rest des Films von François Desagnat an diesem Punkt nun vier ungleiche Wohngenossen. Dabei zeigt sich freilich, dass „Gemeinsam wohnt man besser“ neben Erzählmotiven und Gags auch ein zentrales Problem mit „Frühstück bei Monsieur Henri“ gemeinsam hat: Was bleibt zu erzählen, wenn der anfängliche Zwist sich so früh schon in Wohlgefallen aufzulösen droht?
Die Antwort fällt zwar nicht so moralisch fragwürdig aus wie bei „Monsieur Henri“, doch überzeugen kann die Lösung auch hier nicht. Zu einfallslos ist bereits das Casting der potenziellen Bewerber um Huberts leerstehende Zimmer, an sich eine Steilvorlage für komische Miniaturen, hier aber nur eine Parade eindimensionaler Figuren. Auch die beiden „Gewinner“ sind wenig charismatisch und reichern den Plot nur um erzählerische Stereotypen an: Mit dem verklemmten, selbstmordgefährdeten Anwalt Paul-Gérard kommt mehr Klamauk in den Film, durch die unerfahrene Krankenschwester Marion, die erste Erfahrungen mit dem Tod in ihrem Beruf macht, erhöht sich der melodramatische Anteil. Ihre Schicksale vermögen allerdings nicht zu berühren, und die diversen Ticks und die erwartbaren Running Gags um die Aufteilung des Kühlschranks und besetzte Badezimmer sind kaum originell.
Bedauerlich an dieser unnötigen Aufblähung des Plots ist vor allem, dass der Film darüber die eine Figur, die tatsächlich Anteilnahme hervorrufen könnte, vernachlässigt. Huberts Einsamkeit und Trauer scheint durch die schauspielerische Klasse von André Dussollier zwar immer wieder durch, doch je mehr er sich um seine Mitbewohner Sorgen macht, umso weniger geht es um die Probleme des alten Mannes. Wenn er schließlich ganz in seiner Rolle als wohlwollender Patriarch aufgeht, der über seine Ersatzfamilie wacht und ihnen auch kindische Unarten verzeiht, verliert sich die realistische Prämisse endgültig in einer betulichen Belanglosigkeit. Dabei sollte vollkommene Harmonie doch das letzte sein, was man von einer WG verlangen würde.
Marius Nobach, FILMDIENST 2016/