Filmkritik

Di 3. April 17.30 und 20 Uhr
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Fikkefuchs

Drama

Regie: Jan Henrik Stahlberg

mit: Jan Henrik Stahlberg (Rocky) · Franz Rogowski (Thorben / Thorsten) · Thomas Bading (Sigmar) · Susanne Bredehöft (Wilson) · Jan Pohl

Deutschland 2017, ab 16, 104 min.

Ein alternder Mann aus Wuppertal versucht vergeblich, an seine einstigen Erfolge als Frauenheld anzuschließen. Er bekommt Besuch von seinem Sohn, dessen Frauenbild sich primär aus Internetpornos speist und der sich aggressiver, aber genauso vergeblich wie sein Vater ständig auf der Jagd nach Sex befindet. Auch im Zweier-Team kommen sie nicht viel weiter, sich aber immerhin gegenseitig näher. Der Independent-Film arbeitet sich schonungslos-provokativ an Männlichkeitsbildern und Sexismus ab, führt sein Thema im Rahmen einer Vater-Sohn-Geschichte aber nicht konsequent genug zu Ende.

Langkritik:

Richard „Rocky“ Ockers, mittlerweile eher der Typ „Ritter von der traurigen Gestalt“, galt einst nicht nur sich selbst als der „größte Stecher von Wuppertal“. Wenn der junge Adonis zu französischen Chansons griff, konnte ihm kaum eine Frau widerstehen. Noch heute erzählt Rocky gerne davon, aber ach, tempi passati! Was auch daran liegen mag, dass Rockys Beuteschema im Gegensatz zum Jäger selbst jung geblieben ist. Und so ist es nur noch peinlich, wenn er sich im Squash-Center „so wie ein Tiger“ (Peter Kraus) mit naturbelassener Frisur in kackfarbener Funktionskleidung vom Tresen her an eine Gruppe junger Frauen heranmacht.

Wird Rocky immerhin noch durch ein Reservoir verklärend-romantischer Erinnerungen an eine einstmals erfolgreichere Sex-Praxis sozial diszipliniert, so verbindet sich bei seinem Sohn Thorben permanente sexuelle Frustration mit aggressiver Gewaltbereitschaft. Thorben, ein Kind des Internets, nimmt Frauen nur als sich permanent bietende Möglichkeit zur Verrichtung seiner sexuellen Notdurft wahr, landete bereits wegen einer versuchten Vergewaltigung in der Psychiatrie, entzieht sich aber der Therapie. Stattdessen besucht er seinen Vater, dessen Ruf als „Womanizer“ ja wohl darauf beruht, dass er über Insider-Informationen als „Frauenflüsterer“ verfügt. Nach kurzer Aufwärmphase machen Vater und Sohn gemeinsam und schwer unter Druck Berlin unsicher – als zwei historisch unterschiedliche Versionen von Misogynie.

Jan Henrik Stahlberg und sein Co-Autor Wolfram Fleischhauer nehmen das bislang etwas unterbelichtete Thema „Männer und Männlichkeit“ ohne Rücksicht auf Verluste unter die Lupe: schmerzhaft, provokant und (weil der Film über Crowdfunding finanziert wurde) ohne Rücksicht auf Geschmacklosigkeiten. Durchaus lustvoll präsentiert „Fikkefuchs“ seine beiden mustergültig regredierten Exemplare der Spezies „Mann“, mit viel Mut zur Hässlichkeit verkörpert vom Regisseur selbst sowie vom nicht weniger wagemutigen Franz Rogowski als Sohn Thorben. Trotz des forcierten Sexismus, der Hyper-Sexualisierung der Realität und der nicht nur latenten Aggressivität im Umgang mit potenziellen Sexobjekten stolpert das seltsame Duo orientierungslos durch eine Gegenwart, in der die Uhren längst anders gehen. Während sie bei den Frauen letztlich komplett erfolglos bleiben, kommen sich die beiden immerhin näher. Was dann von Bedeutung ist, wenn sich der Film schließlich doch dazu entscheidet, nicht nur unterhaltsam und spielfreudig zu polemisieren, sondern auch zu erzählen.

Dann erzählt „Fikkefuchs“ davon, dass Rocky schwer krank ist und nur durch eine Operation gerettet werden kann, die ihn freilich der Möglichkeit des Vollzugs von Geschlechtsverkehr berauben würde. Rocky ignoriert den Befund, während Thorben weiß, dass ein Leben ohne Sex nicht lebenswert wäre, obwohl er keinen Sex hat. In dieser Situation besucht das Duo das Seminar eines erfolgreichen „Pick-up Artists“, der sich als Frau herausstellt, die den Männern ihre Würde zurückgeben will – eine wahre Herkulesaufgabe, bei der auch schon mal getrickst werden muss, um pädagogische Erfolgserlebnisse feiern zu können. Schließlich durchschaut Thorben das Treiben und beschert seinem Vater wie auch dem Film ein unerwartet romantisches Ende unter südlicher Sonne, mit dem beim besten Willen nicht mehr zu rechnen war.

Damit opfert „Fikkefuchs“ viel von dem Potenzial, das seiner Thematik innewohnt, der anfänglichen Lust an und der Freiheit zur Provokation, die immer mehr zurückgenommen wird, sodass ein Ungleichgewicht entsteht und das durchaus brennende Thema nicht zu Ende gedacht wird. Dazu passt, dass Stahlberg im Presseheft vom Potenzial schwärmt, das sich dadurch ergeben habe, von der Männlichkeit über einen Vater-Sohn-Konflikt zu erzählen: „Eigentlich hat ein Vater seinen Sohn zu schützen, zu lieben und zu erziehen. Aber die Hauptfigur Rocky ist das Gegenteil von alldem.“ Hier könnte ein Grund für das Unrunde des Films liegen: Normative Vorstellungen vom Vater-Sohn-Verhältnis passen einfach nicht so gut, wenn man über Männlichkeit reflektieren will.

Ulrich Kriest, FILMDIENST