Filmkritik

Di 6. Februar 2018 17.30 und 20 Uhr
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Tulpenfieber

Drama Liebesfilm Literaturverfilmung

Regie: Justin Chadwick

mit: Alicia Vikander (Sophia), Christoph Waltz (Cornelis Sandvoort), Holliday Grainger (Maria), Dane DeHaan (Jan van Loos), Judi Dench (Äbtissin), Cara Delevingne (Annetje), Zach Galifianakis (Gerrit), Tom Hollander (Dr. Sorgh), Jack O'Connell (Willem), Kevin McKidd (Johan de Bye), David Harewood (Prater), Matthew Morrison (Mattheus), Sebastian Armesto (Eduart Asmus), Michael Nardone (Daan), Douglas Hodge (Nicholas), Joanna Scanlan (Frau Overvalt), Alexandra Gilbreath (Lysbeth), Anastasia Hille (Frau Mitjins)

Großbritannien/USA, 2017, ab 6, 105 min.

Im Holland der 1630er-Jahre führt eine verarmte Waise eine glücklose Ehe mit einem wohlhabenden Kaufmann. Als sie mit einem Maler eine leidenschaftliche Affäre beginnt und ihre Magd schwanger wird, heckt sie einen abstrusen Plan aus, der für alle Seiten das Beste aus der Situation herausschlagen soll. Dabei spielt auch die Spekulationsblase des florierenden Tulpenhandels eine Rolle. Vor dem Hintergrund des historischen Tulpenfiebers üppig, zugleich aber recht konventionell inszenierter Ausstattungs- und Historienfilm, ganz zugeschnitten auf seinen Star Alicia Vikander.

Langkritik:

Die Exposition weiß so einiges über Tulpen. Über ihre Herkunft, ihren Wert, ihre Arten, ihre feinen Unterschiede. Historische Abbildungen – Zeichnungen, Stiche – von verschiedenen Exemplaren illustrieren diese kleine Geschichte der Tulpe, doch die Erzählerstimme klingt verdächtig nach Märchentante. Auch wenn Anfang und Titel des Films anderes erwarten lassen: Es geht in „Tulpenfieber“ nur peripher um die Tulpenmanie (Wikipedia zählt auch die schönen Begriffe Tulipomanie, Tulpenwahn und Tulpenhysterie auf), eine Periode im Holland der 1630er-Jahre, in der Tulpenzwiebeln zum Spekulationsobjekt avancierten. Die angeblich erste gut dokumentierte Spekulationsblase in der Wirtschaftsgeschichte ist vielmehr Hintergrund und Accessoire einer Geschichte um leidenschaftliche Liebe und Verwechslung im Amsterdam des Goldenen Zeitalters.

„Sophia betrat das Waisenhaus barfuß und verließ es in einer Kutsche“, weiß die Erzählerin zu berichten. Die junge Frau ist ein Objekt des Handels, sie wird mit dem Gewürzhändler Cornelis Sandvoort verheiratet, ein Nachkomme soll her. Der nicht mehr ganz junge Mann gibt sich redliche Mühe: „Mein kleiner Soldat döst heute noch, ist aber bereit zum Dienstantritt. Jetzt aber stramm gestanden.“ Doch auch nach drei Jahren ist Sophia noch immer kein „fruchtbarer Rebstock“, wie es Sandvoort in seinem abendlichen Gebet nennt. Dafür wird ihre Leidenschaft für einen Maler entfacht, der für ein Doppelporträt des Ehepaars beauftragt wird. Parallel geht die Liebe von Sophias Magd Maria mit dem Fischhändler und Tulpenspekulanten Willem auf Grund einer tragischen Verwechslung in die Brüche. Der Drehpunkt des Films ist indes eine vorsätzliche Verwechslung: Als Maria schwanger wird und der Kindsvater von heute auf morgen über alle Meere verschwindet, heckt Sophia einen waghalsigen Plan aus, der allen Seiten, zumindest halbwegs, entgegenkommt: Sandvoort soll seinen ersehnten Stammhalter bekommen, das Baby der Magd muss nicht als Bastard aufwachsen, und sie selbst kann mit ihrem Liebhaber dem Gefängnis der Ehe entfliehen. So beginnt ein abstruses Rollenspiel mit leicht shakespearehaftem Touch: Eine Schwangerschaft wird versteckt, die andere wird vorgetäuscht und endet im wiederum vorgetäuschten Tod der falschen Mutter.

„Tulpenfieber“ ist in erster Linie ein Star-Vehikel für die Schauspielerin Alicia Vikander, die in Hauben, Halskrausen und Ultramarin als dekorativer Schauwert in Szene gesetzt wird. Justin Chadwick, der sich bereits mit „Die Schwester der Königin“ (2008, (fd 38 591)) als Regisseur eines konventionellen Kostümkinos hervortat, spart auch hier nicht mit der Ausstattung. Die Stadt Amsterdam ist eine deftige, aus sämtlichen Nähten platzende Kulisse, auf den Straßen herrscht ein unablässiges Gewusel von Menschen, Tieren, Gerätschaften. Ständig flattert irgendein Federvieh, werden Fischkörbe durchs Bild getragen, Bierkrüge geschwenkt, tuckern vollbeladene Boote durch pittoreske Grachten. In den spärlich beleuchteten Hinterzimmern der Tavernen wird unter lautem Getümmel und Geschrei mit Tulpenzwiebeln gehandelt, wobei sich Chadwick für diesen Wirtschaftszweig auch nur unter den Vorzeichen dekorativer Betriebsamkeit interessiert. Was das Rollenspiel betrifft, bleibt der Film irgendwo in der Mitte zwischen liebesdramatischen und verwechslungskomödiantischen Aspirationen stecken – als Komödie ist nicht pointiert und nur halblustig, als Drama am Ende allzu dick aufgetragen. Christoph Waltz versucht sich als aufgeplusterter, aber irgendwie doch liebenswerter „König der Pfefferkörner“ in einer abgemilderten Variation seiner üblichen Manierismen. Noch so ein Mittelweg.

Esther Buss, FILMDIENST 2017/17