Filmkritik

Di 9. Januar 2018 17.30 und 20 Uhr
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Gelobt sei der kleine Betrüger

Drama Gefängnisfilm Komödie

Regie: Mahmoud al Massad

mit: Ahmad Thaher (Ahmad), Maher Khammash (El Mor), Odai Hijazi (Abu Wafa), Nadim Remawi (der Tote), Mahmoud al Massad (Ibrahim), Fayez Salmane el Huwaiti (Polizist Salem), Omar el Natshe (Jaloul), Soliman el Hajaya (Gefängniswärter), Nadim Mushahwar (El Bis)

Jordanien/Deutschland/Niederlande, 2016, ab 6, 87 min.

Ein jordanischer Bauunternehmer mit notorischen Geldproblemen muss wegen Unterschlagung für drei Monate in Haft. Dort überwindet er seine anfängliche Niedergeschlagenheit und entdeckt die Bequemlichkeit eines Lebens hinter Gittern, bis ihn die Ereignisse außerhalb des Gefängnisses wieder auf den Boden der Tatsachen zurückholen. Dramatische Schelmenkomödie, die vor dem Hintergrund der autoritär-korrupten Verhältnisse in Jordanien ein kafkaeskes Geschehen entfaltet. Mit dokumentarischem Anspruch gefilmt, beeindrucken vor allem die ambivalenten, hervorragend gespielten Figuren.

Langkritik:

Jordanische Männer haben es nicht leicht. Am liebsten würden sie den ganzen Tag gesellig beim Kartenspielen verbringen. Wären da nicht ihre Frauen. Ohne Unterlass stellen sie Forderungen, die in der Mangelgesellschaft kaum zu erfüllen sind. Kein Wunder, dass ihre Ehemänner notorisch vom Weg abkommen und mit kreativen Lösungen den Alltag bewältigen. Dazu gehört es, illegal den Strom anzuzapfen, wegen der Lebensversicherung den eigenen Tod vorzutäuschen, sich auf Schritt und Tritt bestechen zu lassen, zu fälschen und zu betrügen. Der 45-jährige Bauunternehmer Ahmad hat sich für einen Auftrag bezahlen lassen. Statt die Dienstleistung zu erbringen, investierte er das Geld lieber in ein Dutzend Laptops, um sie mit Gewinn weiterzuverkaufen. Eine Straftat, die den Hütern des Gesetzes nicht verborgen bleibt. Ahmad muss drei Monate ins Gefängnis. Es hilft auch nicht, dass er sich aus eigenem Antrieb einen Anwalt besorgt. Der nimmt das Geld und taucht nie wieder auf. Denn Männer wie Ahmad sind überall, und jeder versucht, auf Kosten des anderen durchzukommen.

Im Mikrosystem des Gefängnisses entfaltet Regisseur Mahmoud al Massad genüsslich seine Gesellschaftskritik. In der Gemeinschaftszelle regiert ein Pate, der seinen eigenen Bazar aufzieht und für jedes Entgegenkommen abkassiert. Die Rebellion der Jüngeren bleibt nicht aus. Man streitet, betet, intrigiert, schließt Freundschaften, tanzt zusammen auf engstem Raum. Ein einziger Fernseher versüßt den Männern mit Seifenopern die Langeweile, und gelegentlich taucht auch ein rhythmusgetriebenes Party-Lied im Programm auf. Ahmad entwickelt trotz der anfänglichen Niedergeschlagenheit allmählich schelmische Qualitäten, die ihn beinahe zum Anführer aufsteigen lassen. Die Telefonate mit seinem Cousin, der die vom Zoll beschlagnahmten Laptops verkaufen soll, um dem verprellten Auftraggeber sein Geld zurückzuzahlen, bringen ihn jedoch wieder auf den Boden der Tatsachen. Das zermürbende Leben draußen zehrt an seinen Nerven. Er wird von surrealen Albträumen geplagt, in denen aus unerklärlichen Gründen seine Hinrichtung bevorsteht. Wie gut, dass er sich hinter Gittern mit seinen Leidensgenossen hin und wieder ein Sonnenbad im Hof gönnen darf und auch ansonsten der solidarische Nichtangriffspakt das Häftlingsdasein in ruhige Bahnen lenkt.

Mahmoud al Massad wurde mit Dokumentarfilmen bekannt. Das sieht man seiner hyperrealistisch gedrehten Dramödie an, die dem kafkaesken Geschehen keinerlei optische Schauwerte abringt. Im Mittelpunkt stehen die ambivalent liebenswerten Figuren, getragen von großartigen Schauspielern, deren gezeichnete Gesichter bereits ein Schauspiel für sich sind. Viel Hoffnung, dass sich die Verhältnisse in dem autoritär-korrupten Land verändern, hat al Massad nicht. Ahmad wird genauso abrupt entlassen, wie er weggesperrt wurde. Beim Rücktransport beobachtet er, wie seine angeketteten Mitfahrer, allesamt angeblich Staatsverräter, plötzlich ihre Handschellen mit Büroklammern öffnen, um eine Zigarette zu rauchen. Der bestochene Wachmann findet nichts dabei. Zudem hat er gerade andere Sorgen. In seine Wohnung ist eingebrochen worden.

Alexandra Wach, FILMDIENST 2017/17